Kopf oder Zahl

Kennst du dieses Gefühl, wenn du eine Münze wirfst und darauf wartest, dass sie in deine Hand zurückfällt, damit du sie dir auf den Rücken der anderen Hand schlagen kannst und sie dir sagt, wofür du dich entscheiden sollst? Aber du hast die Münze lausig geworfen und du schaffst es nicht, sie wieder aufzufangen, und du must ihr dabei zusehen, wie sie zwischen deinen Füßen im Gully landet.

 

Diese Münze wird dir dein komplettes restliches Leben lang fehlen. Sie wird es sein, die du nicht hast, um sie in den Einkaufswagen zu stecken. Sie wird es sein, die du nicht hast, um dir ein letztes Bier zu kaufen. Ein letztes Bier, bevor du aus der Kneipe verschwindest, oder ein letztes Bier, bevor du zur Fremdenlegion gehst. Ja, genau, zur verdammten Fremdenlegion und dafür hast du dich selbst entschieden und nicht die Münze. Denn die liegt ja in dem verfluchten Gully und ist für nichts mehr zu gebrauchen, nicht einmal dafür, die Briefmarke zu bezahlen, damit du deiner Mutter endlich diesen Brief schicken kannst, den sie vermutlich ohnehin nicht lesen wird oder nicht verstehen, sie hat dich schließlich nie verstanden. Damals nicht, als du von zuhause weggegangen bist, aber auch schon vorher nicht, als du immer wieder versucht hast, sie vor ihrem Mann zu beschützen. Dem Mann, von dem sie wollte, dass du ihn Papa nennst, aber du kriegst es nicht über die Lippen, dieses Wort, das mehr ist, als er je für dich war, als er je für dich sein wollte. Und jetzt sitzt du hier und dir gegenüber sitzt der einzige Freund, den du je hattest und ihr müsst eine Entscheidung treffen, aber wieder fehlt dir diese verdammte Münze, so wie an jedem verdammten Tag seither.

Dein Freund sieht dich an und ihr wisst, es geht nicht anders. Unehrenhaft entlassen hat man ihn und noch immer fühlst du dich schuldig, auch wenn du nichts dagegen hättest tun können, aber schließlich hat er es auch für dich gemacht und für dein Land, das ihm wohl mehr bedeutet hat als dir selbst.

Ihr legt eure Briefe in die Mitte. Dein Brief an deine Mutter, von dem du weißt, dass sie ihn nicht lesen wird, aber darum geht es nicht, du musstest es aufschreiben, weil du es ihr nie sagen konntest und jetzt steht es geschrieben und es ist ihre Wahrheit und nicht mehr deine.

Dein Freund fängt an, seine Trommel zu leeren. Er vertraut dir, nach so vielen Jahren, obwohl ihr jetzt Feinde seid, offiziell, denn er ist nicht mehr bei der Legion. Unehrenhaft entlassen, was für ein Wahnsinn, dabei hat er mehr Ehre im Blut, als du je in deinem ganzen verkorksten Leben hattest. Du machst es ihm nach, leerst deinen Revolver Patrone für Patrone, bis nur noch eine übrig ist und du drehst die Trommel, schwungvoll und es klickt, als sie einrastet und du kannst es nicht wissen, aber es ist nur eine Patrone und du weißt, wo sie liegt.

Stein, Schere, Papier, damit macht ihr aus, wer beginnt. Man könnte meinen, es sei Zufall, wie eine Münze zu werfen, aber es gibt keine Zufälle im Leben und du weißt, bei dir ist eine Patrone im Lauf und du wählst Stein, denn du weißt, dass dein Freund Papier nimmt, er hat immer Papier genommen. Du siehst, dass seine Hand zittert, als er die Waffe hochhebt und du blickst auf die Briefe, du willst sein Gesicht nicht sehen und er macht es schnell und du hörst nur das Klicken und seine Erleichterung, als er die Waffe senkt.

Du bist an der Reihe und du hebst die Waffe. Du weißt, diese Kugel wird treffen und du denkst nur noch, am Ende ist es gut so. Und als du sie dir an die Stirn hältst, siehst du ihm nicht ins Gesicht, aber du spürst seinen entsetzten Blick und du hättest ihm gerne gesagt, dass es dir leidtut, das mit damals, aber du schweigst.

 

Das Einzige, was du gerne gewusst hättest, ist die Seite der Münze, die im Gully oben lag, damals, war es Kopf oder Zahl? Aber du hast sie nicht gesehen und sie konnte dir die Entscheidung nicht abnehmen. Und dann kannst du nichts mehr sehen, denn du hattest Recht.

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